Sonntag, 24. Juni 2012

"Wir müssen Vollgas geben, sonst sind wir Kanonenfutter"


Rene Pessler im
Gespräch mit unterhaus.at
In seinem ersten Jahr als Grünau-Trainer schaffte Rene Pessler gleich den großen Coup: Er führte die Walser nach einem packenden Saisonfinish in die Regionalliga West. Im Gespräch mit unterhaus.at erklärt Pessler was der Meistermannschaft noch fehlt, warum der SAK in der Salzburger Liga besser aufgehoben ist, wie seine Understatements zu verstehen sind und träumt von der zweiten Liga.

unterhaus.at: Als das Spiel in Anthering zu Ende war, stand es beim SAK ein paar Minuten vor dem Schlusspfiff auf einmal 2:2. Was haben Sie in dem Moment gedacht, als der Meistertitel wieder in Gefahr war?
Rene Pessler: Ich habe an gar nichts gedacht. Ich habe nur versucht, dass ich keine schlechten Gedanken habe, aber auch keine guten. Es ist mir vorgekommen wie eine halbe Ewigkeit. Ganz kurz habe ich an die Szenen von Schalke gedacht. Ich habe nicht gewusst, wie ich reagieren sollte, wenn der SAK jetzt vielleicht doch noch den Siegtreffer schießt. Man hat gesehen, die Anthering-Spieler sind alle am Boden zerstört gewesen. Unsere sind herumgestanden, einige mit einem Handy in der Hand. Es war irgendwie ungut.

unterhaus.at: Dieses Jahr war für Grünau fantastisch. Der Verein ist mit der Kampfmansnchaft und der 1b Meister geworden, in der Halle habt ihr den Stier und die Landesmeisterschaft gewonnen. Zudem hat sich Youngster Christopher Ruprecht die Torjägerkrone gesichert.
Pessler: Unser Sportlicher Leiter Hans Peter Bauer hat schon gesagt, normalerweise muss er jetzt aufhören, weil es eigentlich keine Steigerung mehr geben kann. Im Landescup waren wir auch im Halbfinale. Aber es gibt immer neue Ziel und Steigerungen. Jetzt müssen wir schauen, dass wir in der Regionalliga eine gute Figur abgeben und uns weiterentwickeln. Früher oder später werden wir wieder Ziele haben, die wir auch erreichen können.

unterhaus.at: Sie haben sich in dieser Saison als Meister des Understatements gegeben. Vor der Saison war der Meistertitel für Sie kein Thema, vor der Rückrunde waren Ihrer Ansicht nach noch immer andere Vereine besser und nach dem Leogang-Spiel hatten Sie den ersten Platz bereits abgeschrieben. Waren diese Aussagen Taktik?
Pessler: Punkt eins ist: Hochmut kommt vor dem Fall. Das hat bei mir immer gepasst. Also immer, wenn ich große Reden geschwungen habe, bin ich auf den Mund gefallen. Und zweitens habe ich diese Aussagen immer ganz ehrlich gemeint. Wir sind zwar als Favorit gestartet, aber wir haben viele neue Spieler geholt. Es sind viele Junge gekommen. Für mich war die Favoritenrolle nie so ganz klar wie für andere. Nach der Leogang-Partie waren wir vier Punkte hinten, da hat eigentlich alles sehr gut für Eugendorf ausgesehen. Mit meinen damaligen Aussagen wollte ich aber auch den Druck von der Mannschaft nehmen. Ich glaube, es ist unser Erfolgsgeheimnis gewesen, dass der Druck nie da war. Auch im letzten Spiel war das so. Der SAK hatte den Druck, er war Erster. Am Anfang der Saison hatten wir den Druck und haben gleich zwei Mal kläglich versagt, deswegen wollte ich der Mannschaft den Druck nehmen.

unterhaus.at: Vor der Saison war die Erwartungshaltung natürlich riesengroß, weil Grünau für alle Experten der große Titelfavorit war. Sind Sie nach dem schwachen Saisonstart nervös geworden?
Pessler: Ich habe schon gewusst, dass man Zeit braucht. Nervös ist der falsche Ausdruck. Natürlich denkt man als Trainer nach: Was hat man falsch gemacht? Was muss man ändern? Wir werden auch jetzt in der Regionalliga ein, zwei Monate brauchen bis wir angekommen sind. Aber nervös kann mich eigentlich nichts mehr machen. Ich habe schon genug erlebt in meinem Leben - positive wie negative Sachen. Fußball ist nicht das Allerwichtigste. Ich habe auch immer versucht, der Mannschaft keinen Druck aufzuerlegen, weil unter Druck zu arbeiten ist immer schwierig.

unterhaus.at: Ist es für den Salzburger Fußball besser, dass Grünau aufgestiegen ist, weil beim SAK die Mittel bekanntlich beschränkt sind?
Pessler: Was für den Salzburger Fußball besser ist, weiß ich jetzt nicht. Auch wenn die Enttäuschung beim SAK jetzt sehr groß ist, glaube ich trotzdem, dass es langfristig für den Verein besser ist. Es war sicherlich ein Grund, warum ich den SAK im Sommer verlassen habe. SAK-Obmann Josef Penco hat vor einem Jahr gesagt, und da steht er glaube ich heute noch dahinter, dass die Regionalliga für den Klub noch nicht das Richtige ist. Wahrscheinlich sind die Möglichkeiten bei Grünau größer. Es liegt aber auch immer daran was das Trainerteam daraus macht. Ich möchte vor allem junge Spieler, die sehr gut ausgebildet sind. Ich möchte ihnen die Möglichkeit geben, sich bei uns in Ruhe weiterentwickeln zu können.

unterhaus.at: Blicken wir auf die neue Aufgabe Regionalliga West. Wo wird sich Grünau Ihrer Meinung nach einreihen?
Pessler: Ich glaube, wenn wir Platz zehn erreichen, ist es für den Verein schon sensationell. Ich weiß im Moment nicht genau wie stark die Gegner sind. Ich weiß zum Beispiel nicht wie die Anifer Mannschaft in der nächsten Saison aussieht. Auch Seekirchen und St. Johann sind derzeit nur schwer einzuschätzen. Ich denke aber, die Vereine haben alle Regionalliga-Erfahrung und haben uns natürlich etwas voraus. Wir wollen den Klassenerhalt schaffen, das ist unser wichtigstes Ziel.

unterhaus.at: Wird man das Spielsystem ändern oder will man auch in der Regionalliga offensiv agieren?
Pessler: Wir werden sicher ein bisschen umstellen müssen, weil in der Salzburger Liga eigentlich immer wir das Spiel gemacht haben. Wir haben es gegen die Austria gesehen. Wenn man mit so einem Gegner mitspielt, dann wird das eiskalt bestraft. Wir werden in der nächsten Saison aber sicher nicht hinten drinnen stehen und die Bälle hoch nach vorne schießen. Wenn man so spielt, dann können sich die Spieler nicht weiterentwickeln. Ich will, dass wir uns spielerisch befreien können und schnell nach vorne spielen. Wir müssen jetzt schauen, dass wir körperlich so schnell wie möglich fit werden, sonst kann man nicht bestehen in der Regionalliga.

unterhaus.at: Gegenüber den bestehenden Mannschaften in der Regionalliga habt ihr als Aufsteiger natürlich einen großen Nachteil. Während die Westliga schon Ende Mai beendet war, hat Grünau bis Mitte Juni spielen müssen. Wie kann man diesen Nachteil aufholen?
Pessler: Wir werden die ersten 14 Tage sicher extrem arbeiten. Wir werden auch nachher noch arbeiten. Wir brauchen sicher ein zwei, zwei Monate. Wir werden es auch in Kauf nehmen, dass wir bei den ersten Spielen nicht spritzig genug sind. Aber langfristig gesehen müssen wir eigentlich fast vier Wochen Vollgas geben, sonst sind wir Kanonenfutter.

unterhaus.at: Was fehlt der Meistermannschaft, dass sie in der Regionalliga mithalten kann?
Pessler: Wir brauchen nicht großartig viel ändern. Eine klare Nummer eins, aber da haben wir mit Florian Kreuzwirth jetzt sicher den richtigen Mann geholt. Und wir brauchen einen Topstürmer. Wir sind zwar Erster geworden und haben die drittmeisten Tore geschossen, aber der beste Torschütze von uns hat nur elf Tore geschossen. Und da sieht man schon, dass uns ein Topstürmer abgegangen ist. Die beiden Positionen sind die wichtigsten, vielleicht noch im zentralen Mittelfeld einen Chef.

unterhaus.at: Mit Sadat Hamzic hat man im Mittelfeld doch einen Chef.
Pessler: Er ist kein Chef, weil er eigentlich ein ruhiger Spieler ist. Er ist keiner der die Mannschaft verbal vorantreibt. Er ist zwar ganz wichtig für die Mannschaft, aber er ist jetzt nicht so ein Spieler, der die Mannschaft coacht. Darum wollten wir Andreas Weiss haben, aber der wollte zuerst nicht kommen. Jetzt wäre er auf einmal schon wieder ein Thema.

unterhaus.at: In der Regionalliga ist der Blafon für Grünau aber erreicht oder?
Pessler: Ich sage immer, man muss groß denken um Großes zu erreichen. Wir müssen jetzt einmal schauen, wie sich alles entwickelt. Ich kann jetzt nicht sagen: Wir wollen in die zweite Liga. Ich denke schon, dass man ein Ziel haben sollte. Vielleicht können wir ja mal anklopfen. Ich will da jetzt aber nicht zu weit reden, denn wenn es schlecht lauft in der Regionalliga, dann bin ich im Winter Geschichte.

unterhaus.at: Jetzt ist eine anstrengende Saison zu Ende. Was machen Sie, um Akkus in der kurzen Pause wieder aufzuladen?
Pessler: Jetzt fahre ich mit meiner Familie auf Urlaub. Ich schalte das Handy aus, aber natürlich habe ich ein Fußballbuch mit. Und ich werde mir schon Gedanken machen. Der Fußball ist einfach mein Leben. In dem ich aber auch eine Arbeit, zwei Kinder und eine Frau habe. Ich freue mich eigentlich jetzt schon wieder auf den Trainingsstart. Weil ich einfach weiß, wie wichtig oder unwichtig Fußball ist. Vor zwei Jahren ist mein Vater plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben. Der hat sich noch so viel vorgenommen und plötzlich war er weg. Für mich hat damals schon ein Umdenken stattgefunden, dass ich mich frage: Was ist wichtig im Leben? Wichtig ist eigentlich nur die Gesundheit. Ich gehe auch am Wochenende regelmäßig laufen, damit ich abschalten kann und ich nehme mich einfach nicht zu wichtig. Ich bin ein Teil, aber ich bin nicht das Wichtigste. Ich delegiere meine Co-Trainer. Ich glaube, dass ist das Geheimnis. Ein Burn-out bekommt man, wenn man glaubt, dass man alles selber machen muss.

Quelle: unterhaus.at / Foto: WSU12